Das „Mipolam-Rohr“ aus Troisdorf

1936 berichtet Dipl.-Ing. Dr. Hans Lutz, Dynamit-Actien-Gesellschaft, Troisdorf,  in „DIE CHEMISCHE FABRIK“, Nr. 39/40, auf Seite 441 – 443, über einen neuen Werkstoff im Rohrleitungsbau:

„Es handelt sich bei diesem Heimstoff um einen Kunststoff aus der Reihe thermoplastischer Materialien aus Polyvinylchlorid. Er vereinigt eine erstaunliche Beständigkeit gegenüber fast allen Säuren und Laugen mit sehr guten mechanischen Festigkeitswerten, kann in einfacher Weise eingebaut und gehandhabt werden und hat sich in eingehenden wissenschaftlichen und praktischen Proben bewährt.“

Es folgt eine Tabelle mit mechanischen Werten der „Mipolam-Rohre“, so z.B. der Elastizitätsmodul mit 30-40 000 kg/qcm und die Wärmebeständigkeit nach Vicat mit 89 grad C. Das Verhalten beim Lagern in Chemikalien zeigt Beständigkeit gegen Säuren und Laugen, auch gegen organische Lösemittel; lediglich Aceton, chlorierte Kohlenwasserstoffe und Essigester lassen die Mipolam-Rohre quellen und zerfallen.

Der Autor berichtet über die Druckfestigkeit der Mipolam-Rohre, so z.B. bei einem Durchmesser von 40 x 43 mm bei 48 atü und bei 20 x 27 mm bei 120 atü.

„Zur Fortleitung von Säuren und Laugen ersetzen „Mipolam-Rohre“ die leicht brüchigen oder schwer zu verlegenden Glas- oder Steinzeugrohre. Auch dort, wo Eisenrohre unter Inkaufnahme ihrer durch Korrosion bedingten Erneuerung oder korrosionsfeste Stahllegierungen verwendet werde, haben sich Mipolam-Rohre vorteilhaft eingeführt. Von Vorteil ist auch ihr geringes Gewicht; es wiegt ein Mipolam-Rohr, 28 mm äußerer Durchmesser, 1 m lang, etwa 175 g, dagegen wiegt ein 1 m Eisenrohr der gleichen Abmessung etwa 1000 g.

Verarbeitung

Mipolam-Rohre können mit der normalen Metallsäge gesägt werden. Sie lassen sich mit der Feile und auf der Drehbank oder der Bohrmaschine mit den üblichen Werkzeugen bearbeiten. Da sie bei 80 grad C erweichen, können sie in trockener Wärme weich und damit in einfacher Weise verformt werden. Das Material ist vollkommen unbrennbar; aber die einer direkten Flamme ausgesetzten Stellen verkohlen. Gegebenfalls kann auch heißes Wasser zum Verformen dienen.“

Verbindung von Rohren

„Die einfachste Verbindung von Rohrlängen geschieht dadurch, dass ein Rohrende erwärmt wird, bis das Rohrende von Hand etwas aufgebogen werden kann. In das so plastisch gemachte Ende des erwärmten Rohres führt man unter leichtem Drehen das kalte Ende des anzuschließenden Rohres ein…. Unter dem Einfluss der Wärme versucht das aufgeweitete Ende nämlich, auf den ursprünglichen Durchmesser zurückzugehen.

Bogen und Krümmer

Das zu biegende Rohrstück wird an einem Ende durch einen Holzstopfen verschlossen, in bekannter Weise mit Sand gefüllt und am anderen Ende ebenfalls verspundet. Unter ständigem Drehen wird das Rohr außerhalb einer Flamme erwärmt und, sobald es durch und durch plastisch ist, gebogen.

Abzweigungen und T-Stücke

Wenn man ein Locheisen, wie es zum Ausstanzen von Dichtungsringen verwendet wird, genügend erwärmt, so kann man mit dem heißen Eisen unter Drehen und Druck von Hand die Wandung des Mipolam-Rohres durchschneiden. Wählt man den Durchmesser des Locheisens entsprechend dem Durchmesser des abzweigenden Rohres und passt die Abzweigung – durch entsprechendes Befeilen- genau an die Hauptleitung an, so genügt in vielen Fällen eine einfache Verklebung mit der „PC-Klebelösung“….

Rohrleitungen aus dem neuen Heimstoff wurden verlegt in chemischen Fabriken für Säureleitungen, Alkoholleitungen, Formalinleitungen, ferner in Kunstseidefabriken und auch als Bierleitungen u.a.m..“

(Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, 17. April 2008)