1. Januar 1931 – Aus RWS wird DAG
In der Schriftenreihe des Archivs der Stadt Troisdorf, Nr. 23, vom Dezember 2008 mit dem Titel „100 Jahre Kunststoffe aus Troisdorf“ berichtet der Stadtarchivar Matthias Dederichs wie folgt:
Die Bestrebungen zum Zusammenschluss der deutschen Sprengstoff-Industrie hatte die IG-Farbenindustrie AG zum Vorbild. In ihr hatten sich am 9.12.1925 die Firmen Bayer, Hoechst, Agfa, Weiler-ter-Meer und Griesheim zusammengefunden. Nur Cassella und Kalle blieben selbständig und waren Tochtergesellschaften. Damit war ein einheitliches marktbeherrschendes Chemieunternehmen in Deutschland entstanden. Mit dieser Aktiengesellschaft fusionierte 1925 die Pulver-fabrik Köln-Rottweil. Sie war damit ebenfalls eine Tochtergesellschaft der I.G. Farben geworden.
Der Zusammenschluss war das Signal Für Generaldirektor Paul Müller, auch die Sprengstoffaktivitäten Deutschlands zusammenzufassen. Er war 1926 Nachfolger des Gustav Adolph Moritz Aufschläger bei Dynamit AG Hamburg geworden und leitete jetzt die Gesellschaften RWS und DAG. Für beide Firmen unterzeichnete er am 17. September 1926 mit der I.G. Farbenindustrie AG einen Interessengemeinschaftsvertrag, um übergreifende wirtschaftliche Ziele abzusprechen und kein gegeneinander Arbeiten zuzulassen. Auch waren bestimmte Fabrikationsbereiche abgegrenzt worden. Hierin eingeschlossen waren auch die Kunststoffaktivitäten, das zweite Standbein der RWS, weil von den I.G.-Firmen in diesen Jahren (noch) keine echte Konkurrenz ausging. Aufgegeben wurde allerdings die Vistra-Kunstfaser-Produktion bei Dynamit-Krümmel in Geesthacht (bei Hamburg), zugunsten der Schwarzpulvergeschäfte dreier Firmen, die an die DAG gingen. Insgesamt wurden 41 Firmen der Konzentration auf beiden Seiten geopfert.
Für Troisdorf hatte die Konzentration die Folge, dass ein neuer verkaufs- und Vertriebsbereich aufgebaut wurde. Alle Sprengstoff- und Zünderaktivitäten übernahm die Sprengstoff-Verkaufs-GmbH; die Celluloidproduktionen wurden von der Celluloid-Verkaufs-GmbH übernommen und die weiteren Kunststoffverkäufe übernahm die Venditor-Kunststoff-Verkaufs-GmbH in Berlin.
Außerdem schloss man 1928 einen Interessengemeinschaftsvertrag mit der Gustav Genschow & Co AG in Berlin. Die Firma war auf dem Gebiet Jagdmunition, Sport- und Jagdwaffen sowie in Lederwaren tätig.
1928 waren (zunächst) alle diese Bestrebungen abgeschlossen und die beiden Hauptverwaltungen der DAG Hamburg und der RWS Troisdorfzusammengelegt worden in einem Generaldirektionsbüro Köln in der Zeppelinstraße.
Das Generaldirektionsbüro Köln war von jetzt an zuständig für die Firmen:
- Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-Actien-gesellschaft Köln – Troisdorf
- Dynamit-Actien-Gesellschaft, vormals Alfred Nobel & Co., Hamburg, Köln
- Köln-Rottweil A.G. Berlin
- Deutsche Sprengstoff-Actien-Gesellschaft, Köln
- Dresdner Dynamitfabrik, Köln
- Rheinische Dynamitfabrik, Köln
- Carbonit Aktiengesellschaft, Köln
- Westdeutsche Sprengstoffwerke Aktien-Gesellschaft, Köln
- Dominitwerke Aktiengesellschaft, Köln
- Sprengstoffwerke Dr. R. Nahnsen & Co. Aktiengesellschaft, Köln
- Sprengstoffwerke Nüssau Aktiengesellschaft, Köln
- Lindener Zündhütchen- und Patronenfabrik, Aktiengesellschaft, Köln
- “Adastra“ Verwaltungsgesellschaft m.b.H., Hamburg
- Esplanade Verwaltungsgesellschaft m.b.H., Köln
- Chemische Fabriken Plagwitz-Zerbst G.m.b.H., Böhlitz-EhrenbergVon diesen Firmen waren insbesondere die unter Nr.7 und 15 genannten auch auf Gebieten tätig, die Hinweise auf eine Kunststoffforschung gaben. Damit konnten gleichgelagerte Zukunftsentwicklungen aufeinander abgestimmt werden.
Neue Überlegungen gab es dann in den Jahren 1930/1931. Die noch selbständigen Firmen unter der Führung von Paul Müller verursachten mit einem großen Verwaltungskostenanteil die Verteuerung der Produktionskosten und schmälerte die Verkaufserlöse. Damit wurden die Wettbewerbs- und Handlungsfähigkeiten einzelner Werke beeinträchtigt. Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit waren in diesen Jahren oberstes Gebot mit der Folge, weitere Konzentrationen anzustreben. Eine Notverordnung des Reichspräsidenten unterstützte diese Bestrebungen, weil die Firmen leichter aus Mietverträgen aussteigen konnten und so ein Spareffekt entstand.
Dies nutzte Müller, indem er der Generalversammlung der Dynamit AG Hamburg am 29. Juni 1931 die Fusion mit folgenden Firmen vorschlug: RWS Troisdorf (Köln), Sieger Dynamit-Fabrik, Deutsche Sprengstoffwerke Köln, Rheinische Dynamitfabrik, Köln, Dresdner Dynamitfabrik, Westdeutsche Sprengstoffwerke Köln. Die Generalversammlung der Dynamit AG stimmte dem Vorschlag mit Rückwirkung zum 1. Januar 1931 zu. Sitz der neuen Dynamit AG wurde Troisdorf. Alle Firmen- und Vermögenswerte der Einzelfirmen wurden auf die neue Gesellschaft übertragen. Danach wurden die genannten Firmen in den Handelsregistern gelöscht. Mit Heraufsetzung des Aktienkapitals auf 47 Millionen RM konnte eine einheitliche Firmenpolitik, eine verbesserte Produktionsbasis und eine vereinfachte Geschäftsführung betrieben werden. Die weiteren Veränderungen für den Firmenmantel sollen hier unerwähnt bleiben, da dies nur die Gesellschaft insgesamt, aber nicht den Standort betrafen, insbesondere nicht die Kunststofffabrik.
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Troisdorf, 3. Mai 2014