Sprengplattierte Werkstoffe im Apparatebau
Über die Besonderheit dieser speziellen „metallischen Verbundwerkstoffe“ referierte Dr. Ulf Richter, der damalige Abteilungsleiter für Sprengplattierung in der Sprengmittel-Sparte der Dynamit Nobel AG, im „Trovidur Spiegel“, Juni 1970, Jahrgang 9, Nr. 7.
Grundzüge des Verfahrens
Das Sprengplattieren ist ein relativ neues verfahren, mit dem man unterschiedliche Metalle haftfest miteinander verschweißen kann.
Meist will am auf einen billigen Grundwerkstoff, z.B. Stahl, einen wertvolleren, korrosionsfesten Werkstoff in dünner Schicht aufbringen. Man ordnet dazu das aufzuplattierende Blech mit Abstandshaltern so über dem Grundwerkstoff an, dass zwischen beiden ein wenige Millimeter breiter Spalt verbleibt. Die Werkstoffoberfläche muß metallisch blank sein. Stahl wird im Regelfall geschliffen; Edelstahl, Titan, Aluminium, Kupfer usw. können meist ohne Oberflächen-Nachbehandlung eingesetzt werden; lediglich eine Entfettung ist notwendig.
Auf das obere Blech wird eine Sprengschicht aufgebracht und von einer Seite her gezündet. Durch die Druckwelle der Detonation wird das obere Blech gegen den Grundwerkstoff beschleunigt, und zwar werden schon nach einem Beschleunigungsweg von wenigen Millimetern Geschwindigkeiten um 1.000 m/s erreicht.
Bild 1 zeigt in einer Röntgenblitzaufnahme eine Phase der Plattierung. Oben links liegt noch undetonierter Sprengstoff auf dem Oberblech. Die schmale dunkle Zone in der Mitte ist die Detonationsfront, die sich von rechts nach links durch den Sprengstoff bewegt. Rechts davon sieht man ganz schwach die sich ausbreitenden Sprengstoffschwaden. Da die Stoßfront im Sprengstoff und damit die Plattierfront von einer Seite des Bleches zur anderen verläuft, drückt sie die Luft vor sich her aus dem Zwischenraum heraus. Dies gilt auch für großflächige Plattierungen, obwohl dort infolge der Ausbildung einer vorlaufenden Stoßfront in der Luft zusätzliche Schwierigkeiten auftreten können. Man verringert sie durch Verwendung eines leichter beweglichen Zwischengases zwischen den Platten, wie Helium oder Wasserstoff. Durch den hohen Druck von 50.000 bis 100.000 at wird das Oberblech abgeknickt und gegen die Unterlage geschlagen. Beim Aufprall verwandelt sich die kinetische Energie in eine hohe Druckspannung, unter der das Metall wie ein Flüssigkeit fließen kann. Eine dünne Oberflächenschicht mit den Oxidresten wird als „Strahl“ herausgeschleudert. Die kurzzeitige, dynamische Fließbewegung einer ca. 0,1 bis 0,5 mm dicken Metallschicht beiderseits der Kollisionsfläche kann entsprechend den Gesetzen der Hydrodynamik zu Wellen- und Wirbelbildung und damit zu einer periodischen Verzahnung der Bindefläche führen (vgl. Bild 2).
Bild
2: Schliffaufnahme der wellenförmigen Verzahnung der Bindeflächen einer
Plattierung Monel auf Stahl (Monelmetall: Nickel-Kupfer-Legierung, sehr
beständig gegen atmosphärische Korrosion, Meerwasser und Säuren und
Alkalien, siehe auch de.wikipedia.org/wik/Monel)
Eigenschaften
Zwischen den beiden durch das Sprengplattieren verbundenen Werkstoffen entsteht eine echte metallische Bindung. Da die Verbindung nicht durch ein Verschmelzen infolge Temperaturerhöhung, sondern durch ein Annähern der beiden Kristallgitter in quasiflüssigem zustand unter hohem Druck entsteht, sind bei richtiger Führung des Prozesses auch keine intermetallischen Verbindungen in der Grenzfläche zu beobachten. Diese intermetallischen Verbindungen einer Reihe von Metallkombinationen können sehr spröde sein und führen dazu, dass bei dem Versuch einer Schmelze-Verschweißung keine Haftung zustande kommt.
Der Vorteil des Sprengplattierens gegenüber dem Walzplattieren oder Auftragsschweißen liegt also u.a. darin, dass man neben der Plattierung üblicher Auflagewerkstoffe wie Edelstahl, Kupfer, Nickel und ihre Legierungen auch Aluminium, Molybdän, Tantal, Titan mit Stahl oder Aluminium mit Kupfer verbinden kann.
Die äußere Beschaffenheit und das Korrosionsverhalten der Metalloberfläche verändern sich durch den Sprengplattierprozeß nicht. In der unmittelbaren Nachbarschaft der Bindungsfläche tritt zwar eine gewisse Aufhärtung durch Kaltverformen ein, die jedoch nicht so stark ist, dass sie bei Biege- und Torsionsversuchen zur Ablösung der Plattierschicht führen würde.
Die Abscherfestigkeit der Bindung ist gewöhnlich gleich oder größer als die Festigkeit des weicheren der beiden Metalle (z.B. Scherfestigkeit Titan/Stahl 25 bis 35 kp/mm², Aluminium/Stahl 10 bis 15 kp/mm²gegenüber 15 bis 21 kp/mm² bei reinem Titan {Contimet 30} bzw. 8 bis 10 kp/mm² bei Al 99,5). Auch wenn die durch die Sprengplattierung verbundenen Metalle verschiedene Wärmeausdehnungskoeffizienten haben, tritt bei Temperaturwechselversuchen keine Ablösung ein.
Abmessungen
Die Stärke des Grundmaterials spielt für den Plattierprozeß nur eine geringe Rolle. So lassen sich z.B. dicke Rohrplatten aus Stahl mit einer dünnen korrosionsfesten Auflage von Edelstahl, Kupfer-Nickel, Titan usw. versehen.
Die plattierbare Auflagedicke liegt zwischen 0,2 und 20 mm, doch wird man in der Praxis 1,5 bis 2 mm als Mindestdicke wählen, um einwandfrei verschweißen zu können.
Die größte Platte, die bisher sprengplattiert wurde, hatte eine Fläche von 30 m² (Edelstahl auf Stahl). Gewöhnlich ist eine Flächenbegrenzung gegeben durch die Maximalgrößen der lieferbaren Auftragbleche (bei Titanblechen z.B. ca. 1 800 x 3 500 mm) sowie durch die Sprengstoffmenge, die man an der bestimmten Produktionsstätte noch zur Detonation bringen darf. Eine Minimalbegrenzung existiert nicht.
Anwendung im Apparatebau
Für sprengplattierte Werkstoffe gibt es in der Verfahrenstechnik eine ganze Reihe von interessanten Einsatzgebieten: Ist für Druck- und Vakuumsynthesen aus Korrosionsgründen der Einsatz von hochwertigen und teuren Werkstoffen nötig, so lassen sich durch Plattierung einer dünnen Schicht des korrosionsbeständigen Werkstoffes auf Stahl Materialkosten einsparen. Dies fällt besonders dann ins Gewicht, wenn infolge von Hohen Arbeitsdrücken und -temperaturen eine große Wandstärke benötigt wird.
Bei Arbeitstemperaturen über 250 °C fällt z.B. die Festigkeit von Rein-Titan rasch ab; durch Plattierung auf Stahl kann man dieser Schwierigkeit begegnen. Ähnlich lässt sich durch Einsatz von Aluminium-Stahl-Verbundwerkstoffen die geringe Festigkeit des Aluminiums überwinden und die Alterungsbeständigkeit erhöhen.
Im Vergleich mit einer Hemd-Auskleidung hat die Plattierung den Vorteil des besseren Wärmedurchgangs und der Sicherheit gegen Faltenbildung bei Temperaturwechsel oder plötzlich auftretendem Vakuum. Gegenüber Vollmaterial bestehen auch konstruktive Vorteile dadurch, dass man Heiz- und Kühlmäntel, Pratzen, Versteifungen usw. aus Baustahl direkt außen anschweißen kann.
In Spezialfällen, wo man eine Induktionsheizung anwenden will, legt man Wert auf das mit dem kosrrosionsfesten Auflagewerkstoff haftfest verbundene ferromagnetische Grundmaterial.
Neue Aspekte für die Verfahrenstechnik
Eine Reihe von chemischen verfahren konnte bisher nicht großtechnisch ausgenutzt werden, weil das notwendige korrosionsbeständige Material für Drucksynthesen nicht zu annehmbarem Preis zur Verfügung stand. So ist z.B. Tantal beständig gegen heiße konzentrierte Mineralsäuren, Molybdän gegen naszierenden Wasserstoff. Die Korrosionsbeständigkeit wird gewöhnlich umso besser, je reiner das Material ist; jedoch ist dann der Preis höher. (Tantal kostet ca. 500 DM/kg bei einer Dichte von 16,6, g/cm³.) Hier kann das Sprengplattieren Wegbereiter der Verfahrenstechnik sein.
Sprengplattierte Rohrplatten
Besonders wirtschaftlich ist die Sprengplattierung bei der Herstellung von dicken Rohrplatten (kreisförmige Verbund-Platten) für Wärmeaustauscher, selbst bei Werkstoffkombinationen, die sich durch Walzplattieren und Auftragsschweißen verbinden lassen.
Der Vorteil gegenüber dem Walzplattieren besteht darin, dass infolge der Einzelanfertigung kurzfristig jedes Dickenverhältnis und jede Abmessung hergestellt werden kann, ohne Bindung an Mindestgrößen. Es lassen sich auch fertige Ronden plattieren, so dass der Rahmen-Abfall nicht aus teurem Kombinationswerkstoff, sondern aus billigem Kesselblech und dünnem Auflageblech besteht, das wieder eingeschmolzen werden kann.
Im Vergleich zum Auftragschweißen entstehen durch das Sprengplattieren weniger Spannungen im Blech, so dass das Richten einfacher ist. Eine Durchmischung der Werkstoffe in der Grenzzone findet nicht statt; man kann deshalb die für einwandfreien Korrosionsschutz notwendige Auflagedicke niedriger halten.
Elektrische Verbindungsstücke
Ein Anwendungsgebiet des Sprengplattierens, das ebenfalls in die Verfahrenstechnik hineinreicht, ist die Herstellung von elektrischen Verbindungsstücken Aluminium-Kupfer und Aluminium-Stahl für Stromzuführungen an Elektrolyseanlagen. Hier ist der Vorteil eine Energieeinsparung, da die Kontaktfläche zwischen den beiden Metallen nicht oxidiert. Bei geeigneter Umkonstruktion werden die Plattierkosten oft schon durch die Einsparung von Kupfer aufgewogen.“
Dieser Artikel ist wiederum ein Beleg für die gegenseitige Befruchtung von Werkstoffwissenschaft, Sprengmittelanwendung und Chemie. In dem Konzern Dynamit Nobel AG mit den Sparten Sprengmittel und Chemie waren optimale Voraussetzungen für die interdizilinäre Arbeit gegeben. Die Sprengmittelsparte selbst betrieb in ihrer Spezialchemie in Leverkusen-Schlebusch mit der Herstellung von hauptsächlich Nitro-organischen und Azid-Verbindungen ebenso eine anspruchsvolle Chemie mit hohen Ansprüchen an die Werkstoffe.
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann
Troisdorf, 27. August 2009