DMT-Herstellungsverfahren
Das Wittener DMT-Herstellverfahren beruht auf den Erfindungen von Prof. Ewald Katzschmann.
DMT spielte eine besonders starke Rolle in der Dynamit Nobel AG von 1958 bis 1988.
DMT ist einer der Rohstoffe für Polyester wie PET
In
den zugänglichen Quellen wird berichtet, dass es im Wittener
Imhausen-Werk (vormals Märkische Seifenindustrie, ab 1937 Deutsche
Fettsäure-Werke, Inhaber: Arthur Imhausen) erstmalig 1952 im
industriellen Stil gelungen sei, Dimethylterephthalat durch
Luftoxidation, ausgehend von p-Xylol, in hochreiner Faserqualität
herzustellen. Der maßgebliche Erfinder dieses Verfahrens war
Diplom-Chemiker Ewald Katzschmann, der später Professor
und im Jahr 1964 DECHEMA-Preisträger wurde (Gesellschaft für Chemie und
Biotechnologie e.V. Frankfurt am Main, ehemals Dt. Ges. f. Chemie und
Apparatebau).
DMT wird mit Glykol zu PET Polyethylenterephthalat,
Faser- und Konstruktionskunststoff (wie für Flaschen und CDs),
alternativ wird hochreine Phthalsäure PTA verwendet, und mit
Butylenglycol zu Polybutylenterephthalat = PBT oder =
Polytetramethyenterephthalat = PTMT, Konstruktionskunststoff, umgesetzt.
Am 1.12.1958
erwarb die Dynamit Nobel AG, vorm. Alfred Nobel & Co. in Troisdorf
unter dem Aufsichtsratsvorsitz von Friedrich Flick, der auch 16 %
Eigentum am Aktienkapital der Harpener Bergbau AG hatte, von der
Harpener Bergbau AG die Imhausen-Werke. Der Name wurde in „Chemische
Werke Witten“ geändert.
Die anfängliche Produktion von DMT wurde in
der eigenen Wittener Fabrik zur Herstellung von Spezialpolyestern wie
Schmelz- und Textilkleber verwendet. Der Markt für DMT als Rohstoff für
PET wurde mit Faser- und Kunststoffherstellern entwickelt.
1968 wurde
die erste DMT-Anlage in Lülsdorf am Rhein, dem an Dynamit Nobel AG
verpachteten Chemiewerk der Feldmühle AG, mit einer Kapazität von 60.000
Jahrestonnen errichtet. 1972 wurde die Anlage auf eine
Gesamtkapazität von 240.000 Jahrestonnen erweitert. Das Produkt wurde
in schmelzflüssiger Form in beheizbaren Silofahrzeugen (Schmelzpunkt:
140 ° C) oder in Schuppen-Fest-Form verkauft. Von den
PET-Kunststoff-Produzenten wurde flüssiges Methanol zurückgenommen und
in den Prozess wieder eingefahren.
Das Herstellverfahren hat der
Technische Direktor der Lülsdorfer DMT-Fabrik, Dipl.-Ing. Christoph
Vieweger, in der Werkzeitschrift Dynamit Nobel 5/1977 wie folgt
beschrieben:
„Allgemeine Verfahrensbeschreibung der DMT-Anlage
Terephthalsäuredimethylester,
auch Dimethylterephthalat oder kurz DMT genannt, ist ein
Faservorprodukt und wird aus p-Xylol, Methanol und Luft unter Einwirkung
eines Katalysators gewonnen.
In die Oxydationsapparatur werden
p-Xylol, pT-Ester (para-Toluylmethylester), Luft und Kobaltkatalysator
geleitet. Die von einem Kompressor verdichtete Luft oxidiert p-Xylol und
den pT-Ester zum so genannten Oxydat. Das Oxydat wird gekühlt, wobei
Heizdampf entsteht. Dieser Teil wird zum großen Teil in der Destillation
genutzt. Die Abluft aus der Oxydation enthält u.a. dampfförmiges Xylol
und Wasser. In einem Brüdenkondensator werden die Abluft gekühlt und die
Dämpfe auskondensiert. Xylol wird dem Prozess wieder zugeführt, während
das Wasser zur Verbrennung (wegen seiner hohen organischen Fracht und
Geruchsbelastung, Anm. d. Berichterstatters) gelangt. Die Abluft wird in
einer Turbine (zur Stromerzeugung, A.d.B.) entspannt und anschließend
in einer Aktivkohleanlage gereinigt.
Das Oxydat wird in einer
Veresterungsapparatur mit Methanol zum Rohester, der vorwiegend aus
pT-Ester und DMT besteht, verestert. Das in der Versterungskolonne über
Kopf gehende Methanol-Wasser-Gemisch wird in der Methanolrektifikation
getrennt. Das anfallende Abwasser gelangt ebenfalls zur Verbrennung.
Der
im Sumpf anfallende Rohester wird in die ersten Kolonne der
Rohesterdestillation eingespeist. Über Kopf geht pT-Ester, der zur
Oxydation zurückgeführt wird. Das Sumpfprodukt dieser Kolonne, bestehend
aus DMT und Rückstand I, wird in der zweiten Kolonne getrennt. Über
Kopf geht das DMT-roh; aus dem im Sumpf ablaufenden Rückstand I wird der
Kobaltkatalysator herausextrahiert. Der katalysatorfreie Rückstand
dient im Kesselhaus (durch Verbrennung, A.d.B.) zur Dampferzeugung.
Das
über Kopf der Kolonne gehende DMT-roh wird unter Druck in Methanol
gelöst und in der ersten Umkristallisation kristallisiert. Zentrifuge I
trennt die entstandene Suspension in den Kristallbrei sowie das Filtrat
I, welches in die Filtratdestillation wandert. Der Kristallbrei wird mir
Methanol angemischt und unter Druck erhitzt. Dabei lösen sich die
Kristalle. Die Lösung wird zum zweiten Mal kristallisiert. Die
Zentrifuge II trennt die aus der Umkristallisation stammende Suspension I
in einen Kristallbrei (DMT-Umkristallisat) sowie Filtrat II, in welchem
das Roh-DMT von der ersten Umkristallisation gelöst wird. Die
gereinigten DMT-Kristalle aus der Zentrifuge II fallen in einen
Schmelzer, in welchem die Kristalle aufschmelzen und das noch vorhandene
Restmethanol verdampft.
Die DMT-Reindestillation trennt das aus dem
Schmelzer stammende Kristallisat in Reinst-DMT und Rückstand II, der dem
Oxydat beigemischt wird. Das Reinst-DMT wird flüssig abgefüllt.“
Von
Juni 1975 bis Oktober 1977 wurde von der Dynamit Nobel AG in Steyerberg
an der Weser das Chemiewerk Steyerberg zur Produktion von DMT mit einer
Kapazität von 240.000 Jahrestonnen errichtet.
Dr. Gerhard Biedenkopf, Leiter der Hauptabteilung Technik, berichtete in „Dynamit Nobel“ 5/1977 wie folgt darüber:
„ Das Chemiewerk Steyerberg entsteht
Im
Zuge von Überlegungen, die DMT-Kapazität auszubauen und in dem
Zusammenhang ein zukunftsfähiges weiteres (neben Lülsdorf und
Rheinfelden, A.d.B.) Chemiewerk zu errichten, hat der Vorstand unserer
Gesellschaft 1974 entschieden, bei der Verwertchemie in Liebenau die
neuen Anlagen zu errichten, zumal bei der Verwertchemie aufgrund der
Auftragslage die Kapazitäten ständig zurückgegangen sind. Der neue
Standort sollte so gewählt werden, dass er einen DMT-Betrieb mit 130.000
Jahrestonnen aufnehmen und die Basis für eine Entwicklung eines neuen
Chemiewerks bilden konnte.
Sowohl bei der Regierung in Hannover als
auch beim Kreis Nienburg und den Gemeinden Liebenau und Steyerberg
bestand ein großes Interesse an der Ansiedlung eines neuen Werkes, weil
durch die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung in diesem Teil des
Landes Niedersachsen ein erheblicher Bedarf an Arbeitsplätzen entstand.
Daneben gab es aber auch Einwände gegen die Ansiedlung eines neuen
Betriebes, die sich in erster Linie auf die Probleme des Umweltschutzes
bezogen. Die Lösung der Umweltschutzprobleme war in erster Linie von der
Wahl des Standortes abhängig. Deshalb wurden bis zur endgültigen
Klärung und zur Vermeidung von Zeitverlusten zwei alternative Standorte
untersucht, von denen der eine in der Gemeinde Steyerberg unmittelbar an
das von der Verwertchemie genutzte Gelände angrenzt und der zweite in
der Gemeinde Liebenau in der Nähe der Weser liegt.
Die Eignung der
beiden Standorte wurde anhand einer Liste von Bewertungskriterien
geprüft, die neben technischen Fragestellungen auch die Fragen des
Umweltschutzes enthielt. Die Entscheidung fiel nach Abwägung aller Vor-
und Nachteile beim Regierungspräsidenten in Hannover zugunsten des
Standorts Steyerberg. Für diesen Standort sprach in erster Linie die für
den Umweltschutz sehr günstige Entfernung von Wohngebieten. Der
Standort mit einer Größe von insgesamt 100 ha ist völlig von Wald oder
von einem bewaldeten Schutzstreifen umgeben, so dass auch in späteren
Ausbauphasen des Werkes eine wirksame Trennung zwischen Wohngebieten und
Industriegebiet gewährleistet ist. Ein gewisser Nachteil des Standortes
ist seine Entfernung zur Weser. Dieser Nachteil konnte aber dadurch
gemindert werden, dass die vorhanden Eisenbahnverbindung zwischen dem
Hafen in Liebenau und dem Werksgelände der Verwertchemie auch für das
neue Chemiewerk genutzt werden konnte.
Gegen den Standort in Liebenau
gab es zwei gewichtige Gründe: Wegen des gesetzlich geschützten
Überschwemmungsgebietes westlich der Weser war es nicht möglich, ein
Werksgelände unmittelbar am Weserufer zu erschließen. Außerdem war die
Entfernung des Standortes von Liebenau im Norden und vom Ortsteil Wellie
der Gemeinde Steyerberg am Süden geringer als 1000 m. Da es sich hier
um ein nicht bewaldetes ebenes Gelände handelte, war zu erwarten, dass
die Belästigung der Bewohner in Liebenau und Steyerberg durch das Werk
über das vom Gesetzgeber geforderte Maß hinausgehen würde.
Nach der
Grundsatzentscheidung über die Standortwahl lief in enger Zusammenarbeit
mit den Behörden des Landes, des Regierungspräsidenten und des Kreises
sowie den Gemeindevertretern das Verfahren zur Aufstellung eines
Flächennutzungsplanes für das Gebiet Fleckens Steyerberg mit einer
öffentlichen Auslegung des Entwurfs an. In diesem Plan wurde ein 100 ha
großes Gelände im gebiet „Am Hasenberg“ als Industriegebiet für das
geplante Chemiewerk ausgewiesen.
Gleichzeitig mit diesem verfahren
begannen die Vorbereitungen für das Genehmigungsverfahren im Rahmen des
Bundesimmissionsschutzgesetzes zur Erteilung eines Vorbescheides über
den Standort und den Bau des DMT-Betriebes. Dieser Antrag wurde zwischen
dem 1. August und dem 30. September 1974 öffentlich ausgelegt. Bis zum
Erörterungstermin gab es, insbesondere in der Gemeinde Steyerberg,
ausführlich geführte Diskussionen über das Für und Wider einer solchen
Industrieansiedlung. Eine sehr offene Informationspolitik unseres
Unternehmens und die hervorragende Mitwirkung der Behörden ermöglichten
es, diese Diskussion immer wieder zu versachlichen, so dass letzten
Endes ohne größere Schwierigkeiten der Vorbescheid Anfang 1975 erteilt
werden konnte.
Ein besonderes Problem ergab sich dadurch, dass der
ausgewiesene Standort teilweise in der Wasserschutzzone der
Harzwasserwerke lag, die in diesem gebiet eine Wasserförderungs- und
Aufbereitungsanlage betrieben. In gemeinsamer Überlegung mit den
Harzwasserwerken, den Wasseraufsichtsbehörden und den Regierungsstellen
in Hannover gelang es, nach langwierigen Verhandlungen ein Konzept zum
Bau eines neuen Wasserwerkes im Norden von Liebenau und zur Nutzung des
alten Wasserwerkes für das neue Chemiewerk zu erarbeiten. Ziel dieser
Verlegung, deren technische Realisierung gemeinsam von den
Harzwasserwerken und der Dynamit Nobel durchgeführt wurde, war die
Sicherstellung der Trinkwasserversorgung der Stadt Bremen durch die
Harzwasserwerke ohne eine mögliche Gefährdung durch einen Chemiebetrieb.
Unmittelbar
nach der Feststellung des Standortes begannen die Verhandlungen mit den
örtlichen Energieversorgungsunternehmen über die Lieferung von Strom
und Brennstoffen. Das Werk Steyerberg wird das erste Werk von Dynamit
Nobel sein, dessen Stromversorgung von einem Kernkraftwerk gedeckt wird,
so wie das neue Kernkraftwerk Unterweser seine Betriebsgenehmigung
erhält. Für die Brennstoffversorgung standen alternativ Heizöl oder
Erdgas zur Diskussion. Hier bot sich die Möglichkeit, die
Primärenergieversorgung über das bereits vorhandene Erdgasnetz
vorzunehmen, in das auch das Erdgas aus dem neu erschlossenen
Gasvorkommen der Nordsee eingespeist wird. Am 28. Juli 1975 wurde nur 15
Monate nach Beginn der ersten Verhandlungen im Beisein der Behörden und
der Gemeindevertreter auf dem neu erworbenen Grundstück der erste Baum
gefällt. Damit begann für die Gemeinde Steyerberg und Dynamit Nobel der
lange gemeinsame Weg, an dessen Ende schließlich im Juli dieses Jahres
(1977) die Inbetriebnahme des neuen DMT-Betriebes stand.“
Das
Werk Witten ging 1988 auf die Hüls AG, Marl, über, die 1998 mit der
Degussa AG zur Degussa-Hüls AG fusionierte und in 2001 zusammen mit SKW,
Trostberg, das neue Spezialchemie-Unternehmen Degussa bildete. Heute,
2009, firmiert dieses Unternehmen unter EVONIK-Degussa.
Am 01.01.2001
wurden die DMT-Aktivitäten (mit den Betrieben in Lülsdorf und
Steyerberg) in die Oxxynova GmbH & Co. KG ausgegliedert. Dieses
Unternehmen wurde zum 12.11.2006 an die Arques Industries AG veräußert.
Launige
Anmerkung des Bearbeiters: In den 80er Jahres des vorigen Jahrhunderts
war für Chemiker der Dynamit Nobel AG die Vorstellung, in das ländliche
Steyerberg versetzt zu werden, keine besondere attraktive. Damals machte
deshalb das Wort: „St. Eyerberg“ für Steyerberg die Runde. Es sollte
die ungeliebte ländliche Abgeschiedenheit ausdrücken.
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Februar 2009
„DMT-Anlage Steyerberg“: Blick auf die fertigen DMT-Anlagen in Steyerberg
„DN Werkzeitschrift 5_1977 Cover“: Luftaufnahme des Chemiewerkes Steyerberg (Foto: Sommerfeld, Nienburg)
„DN Werkzeitschrift 5_1977 Rückseite“: Die DMT-Anlage in Steyerberg, vorne die Tankzug-Abfüllung (Foto: Wolfsheim, Lülsdorf)
„Oxydatoren DMT-Anlage Steyerberg“: Blick auf die vorderen Oxydatoren von der 28 m Bühne aus, Chemiewerk Steyerberg