Wie die Dynamit Nobel AG mit einer Steuer-Sonderzahlung 1986 der Stadt Troisdorf – und damit allen Troisdorfer Bürgern – half, ihre Schulden auf einen Schlag nachhaltig zu verringern
In den Troisdorfer Jahresheften XXXIX 2009 (Herausgeber: Heimat- und Geschichtsverein Troisdorf e.V.) berichtete Karlheinz Ossendorf über die kommunalpolitische Entwicklung seit 1945, Teil X, 1986-1987, und dort über Dynamit Nobel AG:
Er hebt die besondere Nachricht jener Zeit, nämlich den Verkauf des Flick-Konzerns von seinem Eigner Friedrich Karl Flick -mit allen seinen Beteiligungen- zum 31.12.1985 an die Deutsche Bank hervor.
Bei wikipedia unter Feldmühle (Unternehmen), wird der Verkaufspreis mit 5 Mrd. DM angegeben.
Aus eigenem Erleben erinnert sich der Berichterstatter, dass von der Deutschen Bank zuerst 8 Mrd. DM und nach dem erfolgreichen Börsengang weitere 0,5 Mrd. DM an Friedrich Karl Flick für den gesamten Besitz der Friedrich Flick Industrieverwaltung, Kommanditgesellschaft auf Aktien –Friedrich Flick IV KGaA-, Düsseldorf, gezahlt wurden. Der industrielle deutsche Besitz, Feldmühle AG, Buderus AG und Dynamit Nobel AG wurden von der Deutschen Bank unter Feldmühle Nobel AG-FeNo- neufirmiert; deren Aktien wurden 1986 an die Börse gebracht.
Ossendorf infomierte dazu mit einem Zitat aus dem Rhein-Sieg.Anzeiger vom 20. Januar 1986 über die traditionelle Jubilarfeier der Dynamit Nobel AG zu Beginn des Jahres 1986 im Werkskasino:
„Vorstandsvorsitzender Dr. Ernst Grosch nannte den Zeitpunkt des Börsengangs gut gewählt. Die Kontinuität in der Unternehmensführung sei dadurch sichergestellt, zumal das abgelaufen Jahr (1985) eine „solide Basis“ für den Einstieg bildete.
Der Umsatz der Chemiesparte habe bei 1,630 Milliarden DM knapp unter dem des Jahres 1984 gelegen, der Umsatz in der Kunststoffsparte habe um vier Prozent gesteigert werden können. Mit Investitionen von 220 Millionen DM wolle man vor allem Ausbaupläne in Troisdorf realisieren. Die Zahl der Arbeitsplätze habe man vor, bis zum Jahresende auf 13 859 zu erhöhen.“
„285 DM pro Aktie“, so Ossendorf, „betrug am 21. April 1986 der Kurs der Feldmühle-Nobel-AG-Papiere.
Sieben Millionen Stück standen zum Verkauf, was einem Gesamtwert von knapp zwei Milliarden DM entsprach. Bis dato handelte es sich um die größte Emission in der Geschichte der Bundesrepublik.
Am 22. April 1986 berichteten die einheimischen Tageszeitungen von einem Run auf die Papiere im Kreisgebiet. Die lokalen Sparkassen und Raiffeisenbanken mussten deshalb vorübergehend ihre Schalterstunden erweitern.
Für Nichtbelegschafts-Interessenten entwickelte sich der Aktien-Erwerbwunsch letztendlich zu einem Glückspiel, bei dem das Los zu entscheiden hatte.“
„Exakt zu Ostern teilte die Dynamit Nobel AG den Städten Niederkassel und Troisdorf mit, dass sie hohe Gewerbesteuer-Nachzahlungen zu erwarten hätten. Die Rheinkommune sollte 24 Millionen DM,
Troisdorf exakt 115 182 980 DM, knapp 116 Millionen DM,
erhalten.“
Hintergrund dieser Gewerbesteuer-Sonderzahlungen war die Entflechtung der Friedrich Flick IV und die dabei realisierten Gewinne.( Die deutschen Industriebeteiligungen Feldmühle AG, Buderus AG und Dynamit Nobel AG wurden unter Feldmühle Nobel AG zwecks Börsengangs neufirmiert.)
Die bei der Entflechtung anfallenden Gewerbesteuer-Sonderzahlungen wurden nach einem Schlüssel auf Basis der Beschäftigtenzahlen und kommunaler Hebesätze den Kommunen der einzelnen Werksstandorte als Steuerempfänger zugewiesen. Bei Dynamit Nobel AG waren es hauptsächlich Troisdorf, Hachenburg, Leverkusen, Niederkassel, Rheinfelden, Fürth-Stadeln, Steyerberg und Witten.
„Mit Hilfe der „Flick-Millionen“, der gewaltigen Gewerbesteuersonderzahlung der Dynamit Nobel AG, konnte die Stadt Troisdorf nicht nur ihren Kreditbedarf für das laufende Jahr drastisch reduzieren, sondern auch mächtige Brocken vom Schuldenberg abbauen. Die Schuldenlast betrug zum 31. März 1986 166,1 Millionen DM, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2800 DM entsprach (Basis: etwa 60.000 Einwohner). Zum 15. Oktober 1986 verringerte sich die Schuld auf 124,1 Millionen DM und damit statistisch gesehen für jeden Bürger auf 2100 DM. Zum Jahresende 1986 sollen dann nur noch 118 Millionen DM auf der Negativseite der Bilanz stehen, womit die Pro-Kopf-Schuld auf 2000 DM sinken dürfte. Damit spart die Stadt jährlich runde 4,8 Millionen DM an Zinsen und Tilgungen.“
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Troisdorf, 9. Dezember 2009
Kursiv: Anmerkungen des Bearbeiters