Trovidur Werkstoffe für die Sprengstoffindustrie
So lautete die Überschrift über einem Artikel von Herrmann Studeny im „Trovidur Spiegel“, Juni 1970, Jahrgang 3, Nr. 7, der Dynamit Nobel.
Die
werkstoffmäßige Beschäftigung mit der Sprengstoffbranche erschließt
sich aus der Nähe zur konzerneigenen Sprengmittelsparte mit Werken u.a.
in Troisdorf (Züfa), Leverkusen-Schlebusch, Hachenburgf/Westerwald und
Stadeln bei Fürth. Aus der Einleitung geht eine alte industrielle
Erfahrung hervor, dass die größten Zweifler am Können von Produkten oft
im eigenen Unternehmen sind.
„Obwohl Kunststoffe in den letzten Jahrzehnten
in zahlreichen Zweigen der Industrie immer mehr an Bedeutung gewonnen
haben, bedarf es noch heute vielfach großer Bemühungen und der Vorlage
handfester Beweise, um Zweifler von den vielfältigen
Einsatzmöglichkeiten der für sie neuen Werkstoffe zu überzeugen.
Besondere Zurückhaltung findet man oft in den Betrieben der „gefährlichen Chemie“, zu der auch die Herstellung von Sprengmittel jeder Art gehört.
Die für Metalle geltenden Zusammenhänge sind dem Konstrukteur oder Betriebsingenieur geläufig. Er verwendet altbewährte Werkstoffe, solange Eigenschaften und Vorzüge von Kunststoffen weitgehend unbekannt sind. Diese Informationslücke gilt es zu schließen.
Werkstoffauswahl
Es ist bekannt, dass in der Sprengmittelherstellung mit Chemikalien gearbeitet wird, die strenge Sicherheitsmaßnahmen für den Anlagen- und Apparatebau erfordern.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass in vielen Fällen auf die Verwendung hochwertiger legierter Stähle und Nichteisenmetalle verzichtet werden kann.
An einigen Beispielen soll dargestellt werden, welch technische und wirtschaftliche Bedeutung der Einsatz von Trovidur Werkstoffen in der Sprengmittelherstellung hat.
Trovidur bewährt sich
Gewissenhafte und eingehende Prüfungen in der Anwendungstechnik haben gezeigt, dass Trovidur NL (N=Normal, L=Lebensmittelqualität) bei der Verwendung und Lagerung von Nitroglycerin und Nitroglykol zum Einsatz gelangen kann. Prüfungen dieser Art wurden auch mit anderen Werkstoffen durchgeführt und ausgewertet. So zeigte sich, daß Trovidur N, transparent, auf die Dauer keine Veränderungen seiner Beschaffenheit aufweist.
Im Werkzeugmaschinenbau haben sich Steuernocken aus Trovidur HS 15 und Trovidur HS 20 (H=Hoch, S=Schlagzähigkeit) gut bewährt. Steuernocken aus Stahl führen zu Beschädigungen der Stößel an den Grenz- und Endschaltern, was besonders bei Mehrfachschaltern an Patroniermaschinen recht kostspielig war und unliebsame Produktionsausfälle verursacht.
Für Kurvenscheiben zur Steuerung von Arbeitsgängen an Patroniermaschinen und Verpackungsautomaten empfiehlt sich Trovidur HS 15. Durch eine entsprechend große Berührungsfläche wird die spezifische Flächenpressung klein, so dass Kurvenscheiben aus Trovidur HS 15 fast so hoch wie Stahlscheiben belastet werden können.
Einfüllschnecken an Patroniermaschinen werden schon seit geraumer Zeit aus Trovidur NL hergestellt und erreichen bisher mindestens die Standzeiten von Schnecken aus verchromtem Stahl.
Für die Verkleidung von Schaltkästen und Meßapparaturen können Trovidur Werkstoffe ebenso benutzt werden.
Das Transportieren, Lagern und Absperren von Sprengöl und anderen aggressiven Medien stellt jeher die Konstrukteure vor immer neue Probleme. Der Konstrukteur kann Trovidur Werkstoffe zum Bau von Scheidern, Nachscheidern und Filter jeder Art einsetzen. Transportkannen und Transportwagen für Sprengöl aus Trovidur PE (PE=Polyethylen) werden in diesem bereich bereits mit großem Erfolg verwendet. Bei den unterschiedlichen Bedarfsfällen reichen gummierte Absperrorgane nicht mehr aus. Hier haben sich Hähne und Küken aus Trovidur NL, Trovidur PE und Trovidur PP (PP=Polypropylen) bewährt. Auch Absperrorgane aus Polyterafluoräthylen (PTFE) finden ihren Einsatz; sie müssen jedoch zu oft ausgewechselt werden, da dieser Werkstoff bald verhärtet und die erforderliche Dichtigkeit auf Dauer nicht gewährleistet.
Zur Förderung von Sprengöl wurde in unserem Werk Schlebusch eine automatische Emulsionsanlage (Nitroglycerin/Wasser) erstellt. Von großer Wichtigkeit dabei war die Vermeidung von Leckagen. Unter dem Gesichtspunkt aller gegebener Umstände und Sicherheitsfaktoren entschloß man sich, die gesamte Förderleitung von ca. 460 m Länge aus Trovidur PE zu fertigen. Die Emulsionsförderanlage arbeitet seit ihrer Erstellung zur vollen Zufriedenheit. Witterungseinflüsse und Temperaturunterschiede, denen die Emulsionsleitung ausgesetzt ist, zeigen bisher keine nennenswerten Einflüsse.
Bei der Konstruktion sowie Herstellung solcher Anlagen und anderer Apparaturen sind die Vorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie zu berücksichtigen. Man wird dabei feststellen, dass diese Richtlinien Empfehlungen für Kunststoffe aussprechen.
Die Wirtschaftlichkeit beim Einsatz von Trovidur Werkstoffen soll durch folgendes Beispiel erläutert werden: Zu- und Ablaufleitungen für Sprengöl und andere aggressive Medien werden aus verschiedenen Gründen in hochlegierten Edelstählen verlegt. Anfallende und nicht zu vermeidende Reparaturen müssen nun mit viel Zeitaufwand durchgeführt werden. Die defekte Leitung muß mit funkenfreiem Werkzeug ausgebaut, zum Ausbrennen der noch im Rohr vorhandenen leicht entzündlichen Reste zu einem dafür bestimmten Brandplatz gebracht und anschließend in einem speziell dafür vorgesehenem Raum repariert werden. Zeit- und Personalaufwand sowie der entstehende Produktionsausfall sind beträchtlich. Eine Leitung aus Trovidur Rohr hat hier Vorteile: Zum Ausbau einer Trovidur Leitung bedarf es nur eines Facharbeiters und einer Hilfskraft. Das Gewicht des Rohres beträgt nur ein Siebtel des eines Edelstahlrohres. Das Rohrstück wird ausgebaut, das defekte Teilstück durch eine Klebemuffe repariert und wieder eingebaut. Bisher war eine Reparatur dieser Art am Einsatzort nicht möglich, da mir Schweißarbeiten zu rechnen war. Durch das Verkleben von Trovidur Rohren und anderen Trovidur Halbzeugen kann hier also ein wirtschaftlicher Faktor ausgeschöpft werden.
Trovidur Werkstoffe für be- und Entlüftungsanlagen sind zu einem festen Begriff geworden. In den Gebäuden der Sprengmittelherstellung findet man sie mehr und mehr. Die Anwendung erstreckt sich über Lüftungskanäle, Drosselklappen bis zu Schalldämpfern und Lüftungsgitter. Axial- und Dachradialventilatoren heben sich ebenfalls gut bewährt. Da die gewerblichen Sprengstoffe in ihrer Empfindlichkeit etwa der der Sprengöle entsprechen, ist durch die vorhandene Feuchtigkeit kaum mit einer statischen Aufladung zu rechnen. Deshalb ist man auch hier in der Lage, Lüftungseinrichtungen dieser Art in explosionsgefährdeten Räumen zu installieren.
Wasserleitungen sind in der chemischen Industrie von großer Bedeutung. Ihrer betriebssicheren Funktion wird besonders Wert beigemessen. Trovidur Rohre in Verbindung mit dem im Handel erhältlichen Armaturen und Fittings gestatten ein einwandfreies verlegen solcher Wasserleitungen jeder erforderliche Dimension.
Beim Bau von Eis- und Kälteanlegen hat sich Trovidur NL bewährt für Solebehälter, Ammoniakbehälter und deren Anschlußleitungen.
Zusammenfassung
Aus den aufgezeigten Möglichkeiten lässt sich ersehen, daß Trovidur Werkstoffe aufgrund ihres Verhaltens gegenüber auftretenden chemischen Einflüssen, ihrer guten physikalischen Eigenschaften und der verarbeitungstechnischen Vorteile in der Sprengmittelherstellung ihre Einsatzbasis gefunden haben.
Zweifellos läsßt sich die Liste der Anwendungsbeispiele aus dem Erfahrungsbereich der gefährlichen Chemie erweitern. Wir sind aber auch sicher, dass bei eingehender Untersuchung des Bedarfs noch manches Problem mit Hilfe von Trovidur Werkstoffen gelöst werden kann.“
Anmerkung des Bearbeiters:
Die im Text
genannte Förderanlage von Sprengöl (automatisierte Emulsionsanlage
-Nitroglycerin/Wasser-) diente einem wichtigen produktionstechnischem
Zweck in Schlebusch, wie der Bearbeiter aus eigener Anschauung in den
80iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch Ortsbegehung von
Kollegen erfahren hat:
Die Nitrierung von Glycerin und die
Einarbeitung in Diatomeenerde (Herstellung des festen
Sicherheitssprengstoffs Dynamit) wurde aus grundsätzlichen
Sicherheitsüberlegungen an getrennten Orten (460 m Abstand) im Werk
Schlebusch durchgeführt. In der Vergangenheit mussten Mitarbeiter in
jeweils zwei 10 l- Eimern mit einem Joch auf der Schulter die
Nitroglycerin-Emulsion von der Nitrierung zur Dynamit-Anlage tragen.
Dazu wurde die Straße vor dem Transport gefegt und mittels Hornsignal
ein Sicherheitssignal im Werk gegeben.
Nach Errichtung der
Förderanlage aus Trovidur floß die Emulsion in dem oberirdisch verlegten
Rohr durch die Anwesenheit von Wasser hochphlegmatisiert (und damit
nicht-explosionsgefährlich) von dem Nitrierkessel zur Dynamit-Anlage,
wo in dem sicherheits-verbunkerten und menschenleeren Gebäude in einem
Emulsionstrennkessel automatisch das spezifisch-schwerere Nitroglycerin
vom Wasser geschieden wurde und dann zur Vermischung mit dem
Inertmaterial zur Herstellung von Dynamit gebracht wurde. Es schloß sich
noch eine Pressung von Dynamit-Sprengkörpern -ähnlich Ziegelsteinen-
an. Dieser Vorgang wurde von einem Maschinenfahrer durch eine
explosionssichere Sicherheitsglasscheibe von einem anderen Raum als dem
der Presse optisch beobachtet und kontrolliert.
Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann
Troisdorf, 25. August 2009