TROMIPHON, der Rohstoff für Vinyl-Schallplatten aus Troisdorf

Dynamit Nobel AG (DN) befasste sich bereits im Zweiten Weltkrieg (ab 1941) mit der Entwicklung von Schallplattenmassen als Ersatz für die üblichen Schellackmassen. Das Produkt war „TROMIPHON“ auf Basis des VC/VA-Mischpolymers, einer speziellen PVC-Variante, die bei der DN Troisdorf in vielen Produkten verwendet wurde, so auch in Mipolam, wobei die Silben „MIPO“ Mischpolymerisat bedeuten; „TRO“ steht natürlich für Troisdorf. Dieses Mischpolymerisat garantierte gute Verarbeitbarkeit und beste Elastizitäts- und Schlagzäh-Eigenschaften im Endprodukt: Die unzerbrechliche Vinylschallplatte wurde jetzt möglich!

Erlauben Sie bitte, an dieser Stelle einen kurzen historischen Abriss zur Tonaufzeichnung und -wiedergabe einzuschieben:
Erste Versuche, die menschliche Stimme aufzuzeichnen, um sie bei Bedarf abspielen zu können, unternahm der erfolgreiche Erfinder Thomas Edison 1877, als er einen mit Paraffin überzogenen Papierstreifen an einer Membran mit Nadelspitze vorbeizog. Beim neuerlichen Vorbeiziehen konnte er seine leise Stimme  „Hallo“ sagen hören. Der Schweizer Feinmechaniker Kruesi baute in seinem Auftrag eine ersten „Phonographen“.
Der nach USA ausgewanderte Emil Berliner erfand 1888 ein Verfahren, eine mit einer Wachsschicht beschichtete Zinkplatte mittels Membran und Nadel bis aufs Metall zu ritzen. Diese Linien wurden anschließend galvanisch ins Metall geritzt. Diese Matrize diente als Pressform für Celluloid-Platten.
Die Firma Kämmerer und Reinhard, ein Puppenfabrikant in Waltershausen, Thüringen, stellte ab 1888 den „Original Berliner Phongraphen“ und die Celluloidplatten mit Musikinhalten her und vermarktete sie.
Berliner probierte 1888 ein neues Material: Eine Mischung aus Schellack, Graphit, Gesteinsmehl und Fasern: Die Schellackplatte war geboren; sie sollte den Markt über 60 Jahre beherrschen! (Schellack basiert auf dem harzigen Sekret der ostindischen Lackschildlaus.)
1896 wurde zusammen mit Berliner das Markenzeichen „His Master´s Voice“ entwickelt: Es stellt den Hund „Nipper“ vor dem Trichter eine Phonographen dar.
Ab 1889 war der mechanische Federaufzug für das Grammophon möglich und 1890 führte Edison Elektromotoren als Antrieb ein: Erste mit Geld bedienbare „Juke Boxes“ gab es in Gaststätten in USA.
1904 führte die Firma Odeon in Berlin eine erste zweiseitig abspielbare Schallplatte mit 30 cm Durchmesser und einer Spielzeit von 5, 5 min im Markt ein.
Waren die Tonaufzeichnung bis jetzt mechanischer Natur, wurde nach Erfindung der Röhre 1926 auch elektromagnetische Verfahren möglich. Fritz Pflümer erfand 1928 das erste Tonbandgerät in Deutschland.
RCA Victor bot 1929 eine erste Langspielplatte mit 35 cm Durchmesser und 33 1/3 Umdrehungen an.
Alan Dower Blumlein gelang 1931 erstmalig die Herstellung einer Stereoplatte mit der bis heute üblichen Technik, die beiden Kanäle auf beiden Rillenflanken im Winkel von 45 ° gleichzeitig aufzuzeichnen und beim Abspielen abzutasten.
1936 feierte Wurlitzer kommerzielle Erfolge mit seinen Jukeboxes.
1938 stellte AEG sein erstes Tonbandgerät „Magnetophon“ vor. BASF lieferte die Magnetbänder dazu.
In historischen Texten wird gern das Jahr 1948 als Einführung der Vinyl-Schallplatte durch Peter Carl Goldmark genannt. Es ist wohl die erste Vinyl-Langspielplatte, denn DN in Troisdorf hatte bereits ab 1941 „TROMIPHON“ für Vinyl-Schallplatten an die Schallplattenhäuser geliefert.
1963 gab es den ersten Compact-Audio Kassetten-Recorder von Philips.
1969 experimentierte Klaus Compaan erstmalig mit Glas Discs und Laser.
1979 führte Sony den Walkman als transportables kleines Musik-Spielgerät ein.
1981 brachte Philipps den ersten CD-Player mit Polycarbonat-Scheiben auf den Markt.
Der Berichterstatter erinnert sich an Anfragen von Philipps in den End-Siebzieger Jahren an DN, ob DN optisch-hochreines PVC für die Herstellung von neuartigen Schallplatten, den CDs,  liefern könne. Die Versuche schlugen allerdings fehl: Polycarbonat war für diese Zwecke besser geeignet!
1992 folgte die Mini-Disc von Sony.
1997 wurde der erste MP3-Player als Audiodateiformat bekannt gemacht.
Ab 2003 gab es die CD-ROM als Datenspeichermedium und erste DVD`s mit 12 cm Durchmesser und einer Speicherkapazität von 1000 Gigabyte – die HDV (Halographic Versatile Disc).
2008 führte Toshiba die HD-DVD im Markt ein.
Heute sind Black Berry und MP3 als universelle Wiedergabegeräte nicht mehr wegzudenken. Sie benutzen als Speichermedium Silziumchips (und keine Platten oder Bänder)!

Nach diesem kurzen Ausflug in die Geschichte der Tonaufzeichnung lade ich Sie nun ein, in die Welt von TROMIPHON zurückzukehren
Die Dynamit Nobel Werkzeitschrift. Jahrgang 16 vom April 1970, Nr. 2, berichtet unter der Überschrift „Popbunte Schallplatten aus Troisdorf“ darüber.
So z.B. dass DN bereits im Zweiten Weltkrieg TROMIPHON-Massen als Schellack-Ersatz geliefert hatte und dass sich die VC-VA-Mischpolymerisate mit Russzusatz zur Schallplattenherstellung als bestens geeignet erwiesen hatten. Bei Stereoplatten werden besonders hohe Ansprüche an die Klangreinheit (kein Knacken, kein Rauschen!) gestellt, was sich in den Ansprüchen an die Reinheit der Rohstoffe abbildete. DN lieferte als Rohstoffe Pulver (Agglomerate) und Granulate an die Schallplattenindustrie.
„Waren über Jahre hinweg diese Rohstoffe durch Russzusatz schwarz eingefärbt und damit elektrisch leitend und antistatisch eingestellt, errungen farbige und bunte Schallplatten ab Ende der 60iger Jahre gerade bei der Jugend großes Interesse. Durch geeignete Rezepturen konnte DN mit farbigen TROMIPHON-Produkten auch diesen Trend bedienen, wobei gleichermaßen höchste Ansprüche an die jeweilige Produktqualität gestellt wurden.
Das Herstellverfahren für Vinyl-Langspielplatten wurde in dem Werkzeitschrift-Aufsatz beschrieben: „Die in einem Studio auf Magnetband aufgenommenen Schallwellen, werden in einem speziellen gerät in mechanische Bewegungen umgewandelt und auf einen beheizten Schneidstichel übertragen. Je nach Frequenzgang schneidet der Stichel eine Kunststoffspezialfolie ein. Diese Folie besitzt nun die auch später in der Schallplatte befindlichen Schallrillen. Um zu „Abdruck-Werkzeugen“, also Vervielfältigung der ersten und daher sehr wertvolle Folie zu kommen, wird auf galvanischem Wege ein Nickel-Abdruck angefertigt. Dieser etwa 0,25 mm dicke Metallabdruck ist das Original und wird auch „Vater-Matrize“ genannt. Die Matrize kann bereits als Pressmatrize zur Verformung unseres Schallplattenrohlings aus TROMIPHON verwendet werden, was jedoch aus Gründen einer evtl. Beschädigung unterbleibt.
Auf galvanischem Weg wird daher von der Vater-Matrize ein erneuter Nickel-Abguss gezogen. Das ergibt die „Mutter-Matrize“, auf der wiederum die Schallrillen eingeschnitten sind. Von der Mutter-Matrize werden erneut Abdrücke, die „Söhne“ angefertigt, welche als Produktionsmatrize bzw. als Rillen-Präge-Werkzeug, also als Kunststoff-Formgebungs-Werkzeug, benutzt werden.
Erst jetzt beginnt die eigentliche Herstellung der Schallplatte unter Verwendung unserer Schallplattenmasse TROMIPHON.
Dieses liegt als verarbeitungsfertige Mischung in Form von Agglomerat (Pulver aus dem Heiz-Kühl-Mischer) oder Granulat vor.
Die Kunststoffmasse wird in entsprechenden Maschinen (Spritzgussmaschine mit Kleinextruder) erwärmt und tritt plastisch verformbar, d.h. heiß, portionsweise als „Plattenrohling“ aus. Bei der Herstellung von popbunten Schallplatten unter Verwendung unserer bunten TROMIPHON-Granulate werden im Gegensatz zu den bekannten schwarzen Schallplatten, je nach gewünschtem Farbeffekt, die einzelnen bunten Granulate vorher abgemischt. Das abgemischte Compound wird in „Schubladen-Heizschränken“ vorgewärmt, sintert zusammen und kann als zusammenhängender Plattenrohling entnommen werden. Je nach Anordnung der Buntgranulate in den Vorwärmschalen sind die verschiedenen Farbkompositionen möglich.
Der Fantasie der Schallplattenhersteller sind keine Grenzen gesetzt. Der Plattenrohling wird zwischen die Metall-Matrizen (Seite A und B), welche auf einer heiz- und kühlbaren Spannform in  einer presse gelegt und gepresst. Vorher wurden entsprechende Papieretiketten aufgesteckt. Nach beendetem Pressvorgang öffnet sich die Presse automatisch und die Platte kann entnommen werden. Der überstehende Pressrand wird mit einer Randabschneidevorrichtung entfernt.
Der Pressvorgang kann vollautomatisch ablaufen, die einzelnen Taktzeiten werden über Schaltuhren vorgewählt. Bei modernen Schallplattenherstellern werden Produktionsgeschwindigkeiten von 20 sec. für eine 30-cm-Platte erreicht.
Die Bemühungen nach einer noch wirtschaftlicheren Fertigung bei möglichst weiterer Steigerung der Plattenqualität werden fortgesetzt, um auch zukünftig alle Anforderungen der Schallplattenindustrie zu erfüllen.“
Hier endet der Aufsatz in der Werkzeitschrift von 1970. Die Zukunft von TROMIPHOM ging nicht mehr so erfolgreich weiter; die CD aus Polycarbonat war der technische und Marktgewinner und machte der Vinylschallplatte zunehmend das Leben schwerer.
Heute sind allerdings Vinyl-Scheiben von den Experten wieder mehr gefragt.  Mehr als 0,7 Mio. Stück davon wurden 2007 verkauft.

Quellen:    

Dynamit Nobel Werkzeitschrift, April 1970, Nr.2
www.tonaufzeichnungen.de
www.musikindustrie.de
www.vinylux.net

(bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, 2. Juli 2008)