50 Jahre Mipolam

Schönheit, die zu Füßen liegt …

… so titelte Diplom-Volkswirt Michael Horst vom Geschäftsbereich -GB- Bauwesen in der Dynamit Nobel Werkzeitschrift 1/1985, S. 12 – 13.

„In diesem Jahr feiert eine weltweit bekannte Marke unseres Hauses einen runden Geburtstag: Der Mipolam-Bodenbelag wird 50 Jahre alt. Wie ein Produkt einen so langen Zeitraum nicht nur unbeschadet, sondern im Gegenteil mit wachsendem Erfolg erleben konnte, soll ein Rückblick auf seine Entstehungsgeschichte, seine Eroberung des Marktes und auf die Hintergründe seiner Beliebtheit beantworten.

Ein Bodenbelag aus heimischen Rohstoffen
Im Jahr 1935 ist unser damals zum IG-Farben-Konzern gehörendes Unternehmen von der Deutschen Reichsregierung beauftragt worden, einen Ersatz zunächst für Linoleum und später für Gummibeläge zu entwickeln, um im Sinne des damaligen Autarkiestrebens unabhängig von ausländischen Rohstoffen zu sein. Der aus einem Mischpolymerisat (Vinylchlorid-vinylacetat-copolymer; Anm. d. Berichterstatter) mit Weichmacher und Zellstoff als Füllstoff bestehende Belag wurde zum Auslegen in Personenwagen der Reichsbahn anstelle von Linoleum entwickelt. Dabei zeigte sich die neuartige Belagskonstruktion deutlich hinsichtlich Reißfestigkeit, Biegsamkeit (besonders auch in der Kälte) Dimensionsstabilität, Abrieb- und Eindruckverhalten dem zu ersetzenden Produkt überlegen. Gleichzeitig wurde ein Mipolam-Bodenbelag als Ersatz für Gummibeläge entwickelt, wobei die Basis von vornherein reines PVC (Polyvinylchlorid) mit Weichmacher war. Im Vergleich zum Gummibelag traten die wesentlich geringere Abnutzung, das bessere Alterungsverhalten, die Ölbeständigkeit und die Möglichkeit, hellere und schönere Farben zu erzielen, neben der Unbrennbarkeit hervor.
Auf der Düsseldorfer Ausstellung „Schaffendes Volk“ wurden Mipolam-Beläge in einem Personenwagen der Deutschen Reichsbahn und im Wellenschwimmbad ausgelegt, wo es sich unter härtester Beanspruchung -über 2 Millionen Besucher- bewährte.
Die ersten Mipolam-Bodenbeläge wurden noch in 5- und 4-mm Stärke hergestellt, später ging man auf 3,5 mm zurück, um dann schließlich zu erkennen, dass 2-mm-Beläge für die meisten der Einsatzbereiche voll ausreichend waren.
Das erste Referenzobjekt wurde die 1937 mit Mipolam verlegte Empfangshalle bei Henkel & Cie. In Düsseldorf, die auch den ersten Werbeprospekt als Titelbild schmückte.
Die Entwicklung des Mipolam-Belages kam während des Kriegs zum Erliegen und wurde mit Beginn des Wiederaufbaus in der Bundesrepublik Anfang der 50er Jahre wieder aufgenommen. In diese Zeit fallen bereits die Entwicklung des thermischen Verschweißens der Mipolam-Bodenbeläge mit Mipolam-Schweißschnur und die erste Fertigung von Zubehören wie Sockelleisten, Treppenkanten, Handläufe und andere Profile. In diese Zeit fällt auch die erste kontinuierliche Fertigung von Mipolam-Bodenbelägen.

Vormachtstellung für Mipolam
Jahrelang war Dynamit Nobel AG mit Mipolam der einzige Anbieter von Kunststoff-Bodenbelägen. Stets war die Nachfrage nach diesem modernen Bauprodukt größer als das Angebot in den Zeiten des stürmischen Wiederaufbaues, da erst nach und nach andere Kunststoffverarbeiter mit der Produktion von PVC-Bodenbelägen begannen und selbst die Linoleum-Hersteller relativ spät den Werkstoff Kunststoff in ihre Fabriken holten. In einem freien Markt kommt es jedoch früher oder später zu einem Ausgleich von Nachfrage und Angebot. Dieses Gesetz erfüllte sich auch bei Kunststoff-Bodenbelägen im Jahre 1964. der Ausbau unserer eigenen Herstellkapazitäten führte zur Aufhebung der Kontingentierung. Etwa zur gleichen Zeit begann auch der Wettbewerb mit erweiterten Kapazitäten, verbesserte Erzeugnisse auf den Markt zu bringen. Es musste überlegt werden, auf welche Weise die Vormachtstellung von Mipolam erhalten werden konnte. Dabei galt es, das Produkt Mipolam nach neuesten Erkenntnissen des Marketings neu zu profilieren, eine schlagkräftige Vertriebsorganisation aufzubauen, einen technischen Service zu installieren und das neue Bodenbelagsangebot professionell zu bewerben.
Die Profilierung des Produkts wurde in zwei Richtungen erreicht. Einmal wurde die Produktphilosophie, sich stets vom Wettbewerb qualitativ abzuheben, beibehalten; zum anderen wurde das Angebot homogener (einschichtiger, A.d.B.) Beläge um Produkte für den Objektbereich anderer Provenienz, wie elastische Beläge auf Schaumunterlagen (mehrschichtige Beläge, A.d.B.) und textile Beläge (Teppichböden, A.d.B.) erweitert. Deutlich hob sich Mipolam vom Wettbewerb ab durch Entwicklung eines (in seinem Dessin, A.d.B.) völlig richtungsfreien Bodenbelags -die Fertigungsrichtung ist in der Marmorierung des Belags nicht erkennbar-, der durch Aussehen und Eigenschaften eine führende Stellung auf dem Markt einnahm. „Schönheit zu Ihren Füßen“ war der Werbeslogan für diesen neuartigen Kunststoffbodenbelag. Die Erweiterung des Programms führte zum Angebot eines Vollsortimentes. Dazu wurde eine qualifizierte Mehrheit am Aktienkapital der Vereinigten Jutespinnereien und Webereien AG in Hamburg mit den beiden Produktionsstätten, dem Dubletta-Kunststoffwerk in Bonn-Beuel (Hersteller von PVC-Verbundbelägen auf textiler Unterlage für den Wohnbereich) und dem Vehal-Teppichwerk in Bad Hersfeld (Hersteller von getufteten Teppichböden für den Wohn- und Objektbereich), im Jahr 1965 erworben.
Das bereits bestehende Vertriebsnetz wurde neu organisiert, indem ca. 40 Großhändler sich vertraglich zum Verkauf der Mipolam-Produkte verpflichteten. Die Mipolam-Großhändler ihrerseits vertrieben die Produkte über ca. 4.500 Mipolam-Fachverleger, die zur Verarbeitung durch Dynamit Nobel autorisiert wurden und jedes Jahr aufs Neue ihre Qualifikation nachweisen mussten. Parallel wurde mit erheblichem Aufwand in kurzer Zeit eine schlagkräftige, sorgfältig geschulte Außendienst-Organisation aufgebaut, in der der „Technische Beratungsdienst“ aus qualifizierten Baufachleuten einen wesentlichen Bestandteil dieser neuen Organisation bildete.

Schönheit und Komfort
Eine weitere Neuerung waren die farbigen, leitfähigen Beläge Ende der 60er Jahre. Der Anspruch an Kunststoff-Bodenbeläge hatte sich grundlegend geändert. Während früher die Hauptanforderungen Haltbarkeit, Schmutzunempfindlichkeit und leichte Reinigung waren, so achtete der Kunde –bedingt durch die aufkommende Teppichbodenwelle- auch beim Kunststoff-Bodenbelag mehr auf Aussehen und Komfort. Schmutzverbergende Kontrastierungen in der Marmorierung von Kunststoff-Bodenbelägen, meistens im Beige- und Graubereich angeboten, konnten allein nicht mehr den Markt bedienen. Die früh von Dynamit Nobel ins Programm genommenen Uni-Bodenbeläge gefielen zwar in ihrer Ästhetik, hatten aber im gebrauch wegen ihrer empfindlichen Oberfläche Probleme. Aus dieser Erkenntnis wurde der erste Ton-in-Ton-Belag mit richtungsfreier Marmorierung unter der Bezeichnung Mipolam 420 Color hergestellt, der in kürzester Zeit zu einem Renner in der Mipolam-Palette wurde. Vorreiter auf dem Gebiet so genannter Gestaltungsbeläge wurde Dynamit Nobel mit der Produktion von hochtief-strukturierten geprägten Belägen mit Travertin- und Schiefermuster.
Auf der Suche nach zusätzlichen Angebotsformen, um die starke Position im Objektgeschäft (öffentliche und kommerziell genutzte Bauten, A.d.B.) nicht nur zu halten, sondern ausbauen zu können, war ein entscheidender Schritt die Entwicklung von technischen Lösungen in der Verarbeitung, vor allem der Anschluss des Bodenbelags an die Wand. Zahlreiche Objekte sind seither durch das technisch ausgereifte System des Wandanschlusses durch Sockelstreifen aus Bodenbelag gewonnen worden. Die Marktführerschaft konnte auch gefestigt werden, indem die homogenen PVC-Beläge als System-Beläge durch Kaschierung (flächiges Verbinden von Bodenbelag und Schaumunterlage, A.d.B.) auf hochwertigen Schaumunterlagen angeboten wurden. Diese Beläge verbinden die hervorragenden Eigenschaften des homogenen Bodenbelags mit Elastizität, Trittschalldämmung und Komfort. Die systematische  Handhabung aller Marketing-Mittel brachte die Marktführerschaft in der Bundesrepublik auf dem Sektor der homogenen Bodenbeläge ein. Parallel wurden in Anlehnung an das inländische Vertriebssystem in den europäischen, aber auch außereuropäischen Ländern Absatzorganisationen aufgebaut, die heute weltweit ca. 1/3 des gesamten Mipolam-Umsatzes erbringen. Eine der ersten Verlegungen erfolgte in einer Kirche in Dublin.

Ideen und Können sprechen für Mipolam
Die Baurezessionen 1974 und 1978 sind auch an den Mipolam-Bodenbelägen nicht spurlos vorübergegangen. Um stärker auf dem Bausektor auftreten zu können, wurde die Hauptabteilung Vertrieb Bodenbeläge im Geschäftsbereich Bauwesen integriert. Rückläufiger Markt und erhöhter Wettbewerbsdruck zwangen zu einschneidenden Rationalisierungen in der Produktion der Mipolam-Bodenbeläge, die hohe Investitionen erforderten. Das neue Color-Verfahren ermöglichte eine rationellere Fertigung der Mipolam-Bodenbeläge, die zur Sicherung des Geschäftes notwendig war. Gleichzeitig wurde in der Vertriebsorganisation innen und außen rationalisiert und eine nach modernsten Marketing-Gesichtspunkten erarbeitete Vertriebssteuerung, basierend auf dem Objektleitsystem, eingeführt. (Das Objektleitsystem ging von Baugenehmigungen einzelner Objekte aus und leitete den Außendienst an den jeweiligen Bauherrn und seine Kontraktoren, A.d.B.) Die Rationalisierungen allein garantieren natürlich keine weitere Vormachtstellung von Mipolam. So musste ein im Aussehen sich von allen Wettbewerbern abhebendes Produkt entwickelt werden. Dieses hohe Ziel wurde erreicht mit der farblich völlig neu gestalteten Belagstype Mipolam 480 Color. Sie führte in kürzester Zeit zu einem solchen Erfolg, dass bereits eine zweite Anlage investiert werden musste. Diese Tatsache hat aufs neue bewiesen, dass die Produktphilosophie von Mipolam nach wie vor Bestand hat, höchstmögliche Anforderungen an Qualität und Design zu erfüllen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass Mipolam weiterhin die Nr. 1 auf dem Objektmarkt bleiben wird. So sind nach Schließung des Nobel-Teppichwerkes (in Bad Hersfeld, A.d.B.) in das Mipolam-Bodenbelags-Programm hochwertige getuftete textile Bodenbeläge aufgenommen worden. (Getufteter Teppichboden als preiswerte Alternative steht im Ergänzung zum gewebten. Beim Tuften führen Nadeln das Garn durch den primären Basisrücken, auf dem es mit einem Latexstrich fixiert oder mit einem sekundären Rücken aus Schaum versehen wird. Danach wird die Oberfläche zur Schlingenware oder als Velours verarbeitet, A.d.B.) Auf der diesjährigen Frankfurter Heimtextil-Messe stellte sich Mipolam im fünfzigsten Jahr seines Bestehens als Vollsortimenter von Bodenbelägen für den Objektbereich vor. Alle, die zum Erfolg von Mipolam beigetragen haben, können hierauf stolz sein. Gleichzeitig sind sie aber zuversichtlich, weiterhin durch Ideen und fachliches Können Mipolam die führende Rolle auf dem Markt zu sichern.



(Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann und Diplom-Volkswirt Michael Horst, 20. Januar 2009)