Anteil des Troisdorfer Laboratoriums an der Entwicklung der Polymerisate innerhalb der I.G. Farben, 1942

Es liegt eine Kopie einer Notiz von Dr. F. Schmidt/Troisdorf in Ausschnitten vor, der sich über die fehlende Achtung seitens der I.G. Farben-Führung beschwerte und sich stolz über die Troisdorfer Entwicklungsleistungen äußerte.

Wegen der schlecht-leserlichen Qualität der Kopie wird der Text wiedergegeben:

„….haben bei den wissenschaftlichen und fabrikatorischen Stellen der I.G.,

insbesondere stets bei dem mit uns zusammenarbeitenden Ludwigshafener Laboratorium und in den letzten Jahren auch bei dem zuständigen Vorstandmitglied (Direktor Dr. Otto Ambros) uneingeschränkte Anerkennung gefunden; dagegen mußten wir seit dem Bestehen der dem Troisdorfer Laboratorium und der Troisdorfer Verkaufsorganisation „gleichgeschalteten“ Stellen -d.h. der Kuro (Kunststoffrohstoffabteilung) in Ludwigshafen und der Abteilung K in Frankfurt- immer wieder feststellen, daß diese nur zu häufig bestrebt waren, unsere Verdienste auf dem Polymerisationsgebiete unter völliger Mißachtung der wahren Zusammenhänge herabzusetzen oder gar zu leugnen und uns sogar bei der Auswertung von uns entwickelter neuer Produkte oder verfahren Schwierigkeiten in den Weg zu legen -es sei nur an die letzten akuten Fälle erinnert: Oppanol -Abdichtungsfolien für Ingenieurbauten, Troschell für Schallplatten, sowie die Paraformaldehydbehandlung des Polyamids zur Lederherstellung -.

In der Notiz „Übersicht über die auf I.G.-Produktion aufgebauten Entwicklungsgebiete“ vom 16.9.1938 berichtete Dr. Schmidt, daß die Troisdorfer Schallplattenmassen gegenüber den I.G.Farben-Massen aus Ludwigshafen und Hoechst wegen ihres hervorragenden Flusses (durch Mitverwendung von Braunkohlenextrakten) besser seien. Im weiteren Teil des Textes ging der Autor auf diese Entwicklung noch einmal genau ein.

Da andererseits auch in Troisdorf stellenweise keine volle Klarheit über den Anteil des Laboratoriums an der Polymerisatenentwicklung zu herrschen scheint, dürfte es angebracht sein, einmal eine klare, auf Patente, Patentanmeldungen und Berichte gestützte historische Darlegung der von dem Unterzeichneten und seinen Mitarbeitern seit 1928 geleisteten Entwicklungsarbeiten auf dem Polymerisatgebiet zu geben.

Ein solcher Rückblick bringt vielleicht insofern einen positiven Gewinn, als dabei notwendigerweise auch Arbeiten mit gewissen Produkten in die Erinnerung zurückgeworfen werden, die seinerzeit noch nicht ausgereift waren oder mit unzulänglichen Mitteln verarbeitet worden sind und daher nicht zum Erfolge führten, heute aber vielleicht unter Anwendung modernster Arbeitsmethoden bezw. verbesserter Apparatur gegebenenfalls in neunen Kombinationen erneut Beachtung verdienten…..

………Entscheidend ist aber, daß sowohl auf dem Gebiet der

Kabelisoliermassen wie auch auf dem der Bleimantelmassen die Pionierarbeit in unserem Troisdorfer Laboratorium geleistet wurde, und zwar vor allem in den Jahren 1935 und 1936 gemeinsam mit der Firma Felten & Guilleaume, über welche umfassende Prüfberichte der Firma F. & G. aus dieser Zeit vorliegen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden dann allmählich Allgemeingut der ganzen I.G. – insbesondere nachdem sich seinerzeit Herr Dr. v. Rosenberg bei uns in diesem Gebiet und in unsere Prüfmethodik wochenlang einarbeiten durfte – und sind selbstverständlich durch die chemische Mitarbeit der I.G., besonders auf dem Weichmachergebiet, später erheblich gefördert worden. Aber noch heute entsprechen die wichtigsten Zusammensetzungen auf dem Kabelisoliergebiet und Bleimantelersatzgebiet den von uns seinerzeit gefunden Ansätzen bezw. stellen Abwandlungen derselben dar.

Auch die übrigen vielseitigen Anwendungsgebiete für weichgemachte Polyvinylchloridprodukte sind in der Hauptsache durch uns erschlossen worden. Dies trifft zu für die Verwendung von weichgemachtem Polyvinylchlorid für Regenmäntel, über welche wir erstmalig 1934 mit der Firma Klepper zusammengearbeitet haben, ferner für das Gebiet des Lederersatzes, mit dessen Bearbeitung wir 1934 (Bericht vom 16.11.34) begonnen haben, sowie des Dichtungsmaterials und des Fußbodenbelags.

Um einen vollwertigen Ersatz für Kernleder in mehr oder weniger dicker Stärke herzustellen, schichteten wir zunächst abwechselnd weichgemachte Polyvinylchloridfolien mit Geweben. Dieser Weg führte nicht zum Ziel, dagegen gelang die Verwendung von weich-eingestellten Polyvinylchlorid-massen für Polsterzwecke auf Mipolam-Basis erstmalig nach unserer Patenanmeldung „Geschmeidige Schichtstoffe“ D 74 742, dessen Haupt-

Merkmal darin besteht, auf das Gewebe zunächst eine sehr weiche, noch klebrige Polyvinylchloridmasse aufzukalandrieren und mit einer härteren Schicht zu überpressen bezw. letztere auf der Walze aufzukalandrieren.

Im Jahre 1936 haben wir erstmalig in Zusammenarbeit mit dem Reichsbahnzentralamt einen technisch in jeder Hinsicht brauchbaren Linoleumersatz auf Mipolambasis**) entwickelt und durch Versuche bei den Deutschen Linoleumwerken in Bietigheim unter Beweis gestellt, daß unser Ansatz mit der üblichen Linoleumapparatur glatt verarbeitbar war, ohne daß eine Nachbehandlung wie bei Leinölprodukten (langwierige Oxidation an der Luft) erforderlich ist. Diese Versuche führten zu Großansätzen, diein Bietigheim verarbeitet und in Reichsbahnwagen ausprobiert und mehrfach ausgestellt worden sind, z.B. auf der Düsseldorfer Ausstellung „Schaffendes Volk“ (im Jahre 1937). Bei dem damaligen Ansatz handelte es sich um eine weitgehend mit Zellstoff gefüllte Masse, die sich trotzdem später nicht durchsetzen konnte, weil die I.G. inzwischen neue, billigere Linoleumersatzprodukte, insbesondere Trimethylolpropanadipinsäureester (als Weichmacher für PVC-Massen) auf den Markt brachte. Dagegenbefindet sich ein von uns damals entwickelter hochwertiger, mineralisch gefüllter Ansatz noch heute unverändert als Fußbodenbelag in steigender Entwicklung und dürfte auch im Frieden eine große Rolle spielen*).

Mit dem Reichsbahnzentralamt haben wir 1936 auch mit den Arbeiten zur Herstellung von Bedachungsstoff für Güterwagen begonnen, und zwar zunächst auf PC-Basis (PVC-Basis). Der von uns seinerzeit verwendete Ansatz hat sich bewährt, konnte aber nicht beibehalten werden, weil PC für andere Zwecke verwendet und nicht in genügend großem Maßstab hergestellt wurde, so daß wir später auf Oppanol (Oppanol = Polyisobutylen= PIB wurde erstmals 1931 von der BASF in Lufwigshafen-Oppau produziert) übergegangen sind. Wie bekannt, hat sich diesesGeschäft dann sehr erfreulich entwickelt. Der heutige Oppanolansatz ist nichts weiter als eine kleine Variation des ursprünglichen PC-Ansatzes, bei dem PC und Weichmacher durch Oppanol ersetzt wurde.

Zu dem Polyvinylchlorid ist noch zu erwähnen, daß auf dem Schallplattengebiet bis heute allein unsere Arbeiten zum Erfolg geführt haben, während weder die I.G. noch die DCF auf diesem Gebiete – abgesehen von Schallplattenaufnahmeplatten- irgendeinen Erfolg zu verzeichnen haben. Der sog. Schellackersatz der I.G. ist nicht für Schallplatten, sondern für Lackzwecke verwendbar.

*)Bemerkenswert erscheint dem Bearbeiter die Anmerkung des Autors in diesem Papier aus dem Jahre 1942, daß Mipolam-Bodenbeläge „auch im Frieden eine große Rolle zu spielen berufen“ seien. Bemerkenswert zum einen, daß hier der erwünschte Frieden angesprochen wird und somit die Entwicklungsarbeiten des Jahres 1942 und davor auch nicht dem Krieg (ausschließlich) dienten – und zum anderen, daß der Autor mit seiner positiven „Friedens-Prognose“ sehr Recht hatte, denn selbst im Jahr 2013 werden Mipolam-Bodenbeläge in Troisdorf von der Gerflor-Mipolam GmbH produziert.

Unsere ersten Versuche mit der Telefunkenschallplatte führten zwar zu einem Ansatz, der noch zu teuer war und dessen Auspreßbarkeit zu wünschen übrig ließ; aber die von mir später mit der Deutschen Grammophon-Gesellschaft durchgeführten jahrelangen Versuche ergaben schließlich unter Zugrundelegung eines Mischpolymerisates aus gleichen Teilen Vinylchlorid und Vinylacetat und unter Zuhilfenahme von Steinkohlenteerpech und Montanharz als Fluß- und Streckmittel eine wie Schellack auspreßbare Masse, die nach unendlich vielen Versuchen in Bezug aus Nadelfestigkeit, Abnutzung……“

Hier endet das vorliegende Kopiedokument.

**)In einem Prospekt der Venditor Kunststoff-Verkaufsgesellschaft m.b.H, Troisdorf, bez.

Köln, Abteilung Mipolam, vom Februar 1939 wird Mipolam wie folgt beworben:

„Ein neuartiger hochelastischer Bodenbelag auf heimischer Rohstoffgrundlage

10 unübertroffene Eigenschaften: 1 In allen gewünschten hellen und dunklen Farben.

2 Hochelastisch. 3 Alterungsbeständig. 4 Geruchsfrei. 5 Unentflammbar. 6 Abriebfest. 7 Schalldämpfend. 8 Feuchtigkeitsunempfindlich. 9 Leichte Reinigung. 10 Hohe dekorative Wirkung.“

Im Folgenden möge eine Kopie der ersten Protokollseite  einer Sitzung „Über

Kunststofffragen technischer und wissenschaftlicher Art“ vom 12. Februar 1938 die

Namen der damals wissenschaftlich/technisch Handelnden in Troisdorf wiedergeben:

Bearbeitet: Dr. Volker Hofmann, Troisdorf, 29. März 2013